Und
sowas nennt sich Urlaub
„Wow, ist das geil hier!“, staunte Petra.
„Ich hatte mir das Oktoberfest ja schon riesig vorgestellt, aber so riesig nun
auch wieder nicht!“, setztAlex hinzu, als wir uns durch die Menschenmasse zum
“Breakdancer“ und “Himalayah“ vordrängten. Wir drei Alex, Petra und ich
hatten in einem Gewinnspiel eine Woche Urlaub in München gewonnen, bzw. Petra
hatte gewonnen und sie hatte uns als Begleitpersonen ausgewählt. Sat1 hatte
den besten Storyschreiber von Krimigeschichten gesucht und Petra hatte mit
ihrer Story “Tekins Drogenschmuggel“ teilgenommen und gewonnen. Der
Hauptgewinn war eben eine Woche Münchenurlaub mit Darstellertreff einer
Krimishow nach Wahl. Peti hatte sich natürlich Lenßen&Partner ausgewählt.
Eigentlich hätte ja an meiner Stelle Kerstin, die Besitzerin der Christian
Storm Fanpage, mitgehen sollen, aber da diese leider krank wurde, setzte Petra
kurzer Hand mich an ihre Stelle, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich hatte die
beiden vor 3 Tagen das erste Mal richtig kennen gelernt, d.h. ich kannte sie
bereits aus unzähligen Chatabend und mittagen. Petra, meine Knuddelmaus aus
Italien und Alex aus Dortmund. Und vor 3 Tagen war dann der Traum endlich
Wirklichkeit geworden. Weitere 4 wundervolle Tage lagen noch vor uns und in
den vergangenen hatten wir bereits München unsicher gemacht und jetzt war eben
das Oktoberfest angesagt. Nachdem wir uns entschieden hatten, dass wir zum
Einstieg zuerst “Breakdancer“ fahren würden, besorgten wir uns jeder eine Hand
voll Chips und dann ging’s los. „Die arme Bratwurst!“, rief ich Petra zu, die
sofort einen Lachanfall bekam. Ich hatte zuvor eine leckere, fettige Bratwurst
gegessen, was sich jetzt natürlich bitter rächte. Schon nach der zweiten Runde
musste ich aussteigen, da mir total schlecht war. Ich hockte mich auf die Bank
neben dem Fahrgeschäft und sah dabei zu, wie sich Alex und Petra
durchschütteln ließen. Ein paar Runden später stiegen aus und kamen zu mir
rüber. „Hey, was ist denn los, Ju? Ist dir immer noch schlecht?“, wollte meine
Knuddelmaus wissen. Ich nickte ergeben und auf einmal wurden Alex und das
unbrave Mädel von zwei gutaussehenden Jungs angebaggert. „Was denn? So schön
und so allein? Wollt ihr nicht ne Runde mit uns drehen?“, posaunten die Jungs.
Petra und Alex fragten mich, ob das ok für mich sei und als ich ihnen sagte,
dass ich noch hier sitzen bleiben würde, zogen sie vergnügt mit den Jungs los.
„Ok, dann bis morgen! Cu und kommt gut nach Hause!“, verabschiedeten sich
meine zwei Freundinnen von den Jungs. Petra und Alex winkten ihnen nach, bis
sie außer Sicht waren und wandten sich dann an mich: „Und was machen wir
jetzt? Gehen wir noch was trinken?“ Mir war immer noch schlecht und so kam es,
dass die zwei Partymäuse ohne mich loszogen und ich mich auf den Weg ins
Hotel machte. „Pscht! Sei leise! Ju schläft bestimmt schon!“, flüsterte Peti
Alex zu, als sie unser gemeinsames Hotelzimmer betraten. „Nein! Ju schläft
noch nicht!“, knurrte ich. „Wieso dann net?“, erkundigte sich Petra. „Weil“,
gab ich zurück, „dein glorreiches Handy ununterbrochen geklingelt hat, das du
leider Gottes vergessen hattest mitzunehmen!“ „Ja, warum hast du’s dann net
einfach ausgeschaltet?“, wollte sie wissen. „Ja, gute Frage. Da dran hab ich
überhaupt net gedacht!“, gab ich verlegen zu. Die beiden brachen in
schallendes Gelächter aus, worauf ich mir schmollend die Bettdecke über den
Kopf zog. Das wiederum hatte zur Folge, dass Petra mir ein Kissen an den Kopf
warf. Alex machte die Tür zu, bevor sie sich ihr Kissen grallte und brüllte:
„Rette sich wer kann!“ Ehe man sich’s versah war die schönste Kissenschlacht
die man je gesehen hatte im Gange. Zuerst leise, dann aber doch energischer,
klopfte es an die Tür. Alex, die gerade damit beschäftigt war Petra auf dem
Bett mit der Decke zu umwickeln, hielt inne und ging zur Tür. Sie setzte ihre
Unschuldsmine auf, die ich eigentlich bisher nur von Petra kannte, und öffnete
die Tür. Draußen stand ein altes Ehepaar im Morgenmantel und keifte entrüstet:
„Wissen Sie eigentlich wie spät es ist?“ Alex antwortete verdattert: „Ähm,
eigentlich nicht!“ „Junges Fräulein, jetzt werden Sie nicht auch noch frech.
Wir haben halb vier morgens. Normale Menschen schlafen um diese Uhrzeit!“
„Entschuldigen Sie bitte vielmals, aber wir sind keine normalen Menschen!“,
mit diesen Worten ließ sie die Tür sanft ins Schloss fallen. Drinnen prustete
sie los und stürzte sich sofort wieder auf Petra, die auf dem Bett lag und
kicherte. „Auf sie mit Gebrüll!“, fiel ich ein und wir setzten unseren
privaten Machtkampf da fort, wo wir unterbrochen wurden. Es war 6 Uhr, als ich
mich an Petra kuschelte. Alex war schon vor einer Stunde eingeschlafen und
auch ich und die Partymaus waren nun hundemüde. Um zehn Uhr wurde ich davon
wach, als die Feuerwehr mit vollem Karacho an unserem Fenster vorbeirauschte.
Vorsichtig, um die Mädels nicht zu wecken, schälte ich mich aus dem Bett. Ich
zog mich an, schrieb einen Zettel und ging hinunter um zu frühstücken. Eine
halbe Stunde später, als ich wieder nach oben wollte, kam mir eine
verschlafene Petra in der Eingangshalle entgegen. Wir umarmten uns und ich
fragte sie: „Na, bist du auch von der Feuerwehr geweckt worden?“ Sie sah mich
verdutzt an und antwortete: „Nö. Alex hat mich aus dem Bett geschmissen im
Schlaf. Und sie liegt jetzt oben und pennt seelenruhig.“ „Ich hab ne Idee. Wir
wecken unsre Schlafmütze mit meiner speziellen Methode.“ „Au ja, das machen
wir!“, stimmte Petra zu und in lustiger Vorlaune stiegen wir die majestätische
Treppe des Hotels hoch. Aus unserem Vorhaben wurde leider nichts, denn Alex
war schon wach. Petra knuffte und neckte sie: „Sag mal, ist das Gewohnheit bei
dir, dass du einfach unschuldige Mädels aus dem Bett rausmanövrierst?“ Alex
grinste: „Ähm, normalerweise nicht, nee! Aber ich hatte vorhin Platzangst.
Sorry Petra.“ Die beiden knuddelten sich und ich riss in der Zeit erst mal
alle Fenster auf und begann damit unser verwüstetes Hotelzimmer aufzuräumen.
Nachdem alles wieder an seinem Platz war machten sich das verrückte Huhn und
Alex auf den Weg zum Frühstück, während ich oben blieb, weil ich noch mit
meinen Eltern phonen wollte. Ich ließ mich auf das Bett fallen und griff zum
Telefon. Ich hatte die Nummer bereits gewählt, als mir einfiel, dass meine
Eltern ja arbeiten mussten. Also legte ich wieder auf und grübelte nach, was
ich jetzt anstellen sollte. Ich entschloss mich dazu, das Hotel näher zu
erkunden. Als ich das Zimmer verließ schlenderten Alex und Petra den Gang
entlang. „He Ju, wohin des Weges?“, rief Alex mir zu. „Erkundungstour durchs
Hotel!“, rief ich zurück. „Kommt ihr mit?“, fragte ich die beiden. Petra
schüttelte den Kopf, doch Alex hakte sich bei mir unter und so spazierten wir
eine Stunde lang durchs Hotel. Total kaputt hockten wir uns auf die schwarzen
Ledersessel, die im Vorraum unseres Zimmers standen. Petra war schlecht
gelaunt und motzte: „Man, wo bleibt ihr denn so lange? Ich sitz hier rum und
langweile mich zu Tode und ihr lauft irgendwo in der Weltgeschichte rum!“ „Oh,
ich sehe schon die Schlagzeile von morgen: Ju und Alex auf Promo-Tour und
unbraves Mädel langweilt sich zu Tode!“, frotzelte Alex. „Super Alex!“,
kicherte ich, „Und damit unsere arme Partymaus nicht mehr so böse auf uns ist,
gehen wir jetzt in die City und machen eine ausgedehnte Shoppingtour!“, schlug
ich vor. Alex fing an ihre Sachen in ihren East Pack zu stopfen und Petra
sammelte ebenfalls ihr Zeugs auf. „Na also! Welt wieder in Ordnung?“, wollte
ich von ihr wissen. Statt einer Antwort knuddelte sie mich und nach 15 Minuten
saßen wir in der S-Bahn, die in die City fuhr. Wir latschten 3 Stunden durch
die Stadt und danach taten uns die Füße so weh, dass keine von uns mehr einen
Schritt machen wollte. Deshalb setzten wir uns in ein Café und jeder bestellte
sich einen riesigen Eisbecher. Gemeinsam waren wir von Geschäft zu Geschäft
gezogen und schleppten nun Unmengen von Einkaufstüten mit uns herum. „Ich hab
keine Ahnung, wie ich die ganzen Sachen verstauen soll. Mein Koffer platzt ja
jetzt schon!“, jammerte Alex. „Ja wieso nimmst du auch so viel Klamotten und
anderes Zeugs mit?“, ärgerte ich sie. „Pack du dich mal an der eigenen Nase,
meine Liebe!“, schlug sie zurück. Damit hatte sie mich zum Schweigen gebracht.
Ich war die einzige die mit 2 Koffern angereist war. Nun war ich diejenige die
schmollte, doch das hielt nicht lange an, den Petra brachte mich wieder zum
Lachen. Die Eisbecher wurden gebracht und wir stürzten uns mit Heißhunger
darauf, dass man meinen könnte, wir hätten seit Jahren nichts gegessen. Kaum
war das Eis weggeputzt traten wir mit unseren Errungenschaften den Heimweg ins
Hotel an. „Puuuh, geschafft!“, stöhnte Petra, als sie ihre Tüten aufs Bett
pfefferte. Plötzlich klingelte mein Handy. „Cooler Klingelton!“, kommentierte
Alex die Situation. Ich nahm ab und zu meiner Freude meldete sich meine
Mutter. Um halb neun gingen wir wieder zum Oktoberfest, wo die erste
Überraschung des Abends auf uns wartete. Dem Preis, den Petra gewonnen hatte,
waren 3 Eintrittskarten für „Ottis Wiesn Hits“ beigefügt worden. Wir suchten
uns einen noch freien Platz im überfüllten Bierzelt und Alex u. ich besorgten
uns etwas zu Essen u. zu Trinken, während Peti tapfer unseren Platz
verteidigte. Begeistert jubelten wir, als Otti das Fest eröffnete. Zu dritt
klatschten wir so laut wir konnten, weil Buddy seinen Superhit 2003 „Ab in den
Süden“ performte. Stürmisch und nicht zu bremsen liefen wir auf die Tanzfläche
und tanzten was das Zeugs hielt. Als nächste waren DJ Ötzi mit „Hey Baby“ und
Haiducci mit „Dragostea Din Tei “ an der Reihe. Nach diesen drei Songs setzten
wir uns total kaputt auf die Bank und ruhten uns aus. „So, auf geht’s zum
„Boxauto“ und „Breakdancer“ –fahren.“, drängte Petra. Alex und ich waren noch
ganz aus der Puste und deswegen ging Peti alleine. Wir versprachen ihr, dass
wir demnächst nachkommen würden und sie sagte uns, dass wir sie dann bei den
Boxautos finden würden, weil sie sich dort mit den Jungs vom Vortag treffen
wollte. Dann ging sie und wir widmeten uns „Opus“, die auf der Bühne „Life is
Life“ sangen. Während wir uns ausruhten und kräftig mitsangen, wurde Petra von
dem einen Jungen, der übrigens Kai Martens hieß, belästigt. Sie hatte eine
Runde im Boxauto mit ihm gedreht und er war zudringlich geworden. Sie stieg
aus und wollte weglaufen, doch er folgte ihr. Sie drehte sich auf dem Absatz
um und fuhr ihn wütend an: „Hör zu! Ich glaub, ich hab dir ganz deutlich klar
gemacht, dass ich nix von dir will! Also, hau die Hacken in den Teer!“ Kai
erwiderte frech: „Komm, stell dich nicht so an. War doch nur Spaß.“ Damit
brachte er Petra auf die Palme und diese kommentierte: „Haha, sehr komisch.
Warum lacht keiner? Jetzt lass mich los oder ich brülle, dass die Gegend
zusammenfällt.“ Kai ließ sie los und Petra tauchte in der Menge unter. Derweil
brachen Alex und ich zum Autoscooter auf um Petra zu suchen. Dort angekommen
fehlte von ihr jede Spur. Unser verrücktes Huhn war in der Zeit zurück zum
Hofbräuzelt gelaufen und kuckte sich nach uns um. Nachdem sie uns nicht
entdeckt hatte, verließ sie das Zelt wieder und suchte sich ihren Weg zwischen
den ganzen Zelten und Ständen. Auf einmal wurde sie von hinten gepackt und
bekam einen stinkenden Stofffetzen ins Gesicht gedrückt. Sie wurde bewusstlos
und wurde gefesselt in den Kofferraum eines blauen Opel Meriva gehievt. In der
Zwischenzeit kamen Alex und ich uns verarscht vor. Wir hatten mit Petra
abgesprochen, dass wir uns um 23 Uhr am Autoscooter treffen würden und wir
warteten bereits seit einer halben Stunde. „Will die uns verarschen, oder
was?“, regte ich mich auf und Alex meinte: „So langsam fang ich an mir Sorgen
zu machen. Sie könnte doch wenigstens anrufen.“ Ich holte mein Handy aus der
Tasche und versuchte Petra zu erreichen. „Mist! Bei ihr geht nur die Mailbox
ran.“, fluchte ich. „Vielleicht hat sie irgendjemanden kennen gelernt.
Außerdem wollte sie sich doch mit Kai wiedertreffen.“, überlegte Alex. „Ja,
und dabei hat sie wohl die Zeit vergessen! Ich probier es noch mal bei ihr
aufm Handy!“, fiel ich ein. Natürlich war bei Petra wieder nur die Mailbox
dran. Ich quatschte ihr drauf und setzte mich neben Alex an den Rand des
Autoscooters. Zusammen warteten wir auf Petra. Aber sie kam nicht. Wie sollte
sie auch? Sie lag gefesselt in irgendeiner Lagerhalle außerhalb von München.
Sie war inzwischen wieder aufgewacht und versuchte mit allen Mitteln die
Fesseln zu lösen, doch es gelang ihr nicht. Vom anderen Ende der Halle sagte
plötzlich eine Stimme: „Vergiss es, Petra! Da kannst du dich lange drehen und
winden!“ Petra schaute sich um und entdeckte Florian Schütz, der gestern
heftigst mit Alex geflirtet hatte, etwa 10 m vor sich stehen. „Floh, was soll
das? Hilf mir bitte!“, keuchte sie. Dieser schüttelte den Kopf und grinste:
„Sorry, aber das geht nicht!“ „Was soll das heißen es geht nicht?“, fragte
Petra. „Das soll heißen, dass wir dich noch brauchen!“, meldete sich nun auch
Kai zu Wort, der aus einer Tür in die Halle trat. „Was habt ihr mit mir vor?“,
schrie Petra panisch. „Mit dir nichts. Wir haben nur vor deine lieben Eltern
ein bisschen auszunehmen!“, erwiderte Kai mit einem fiesen Lächeln im Gesicht.
Und zu Florian gewandt meinte er: „Was schätzt du? 1 Million für sie dürfte
reichen, oder?“ Sein Kumpel nickte und ging zu Petra. Er beugte sich zu ihr
hinunter und flüsterte: „Du wirst jetzt ganz brav sein und deine Freundinnen
anrufen und ihnen haargenau das sagen was wir dir vorher eintrichtern. Haste
das verstanden, Kleine?“ Petra nickte und Floh holte sein Handy aus der Tasche
und befahl Petra ihm die Nummer zu sagen. Diese tat wie ihr geheißen und bekam
gesagt, was sie uns berichten sollte. Wir waren unterdessen zum Bierzelt
zurückgekehrt, in der Hoffnung Petra dort anzutreffen. „Fehlanzeige!“, maulte
ich nachdem wir das Zelt 5 mal abgeklappert hatten. Erschöpft setzten wir uns
auf eine der Bänke. „Ruf du noch mal im Hotel an! Vielleicht ist sie ja dort
mittlerweile aufgetaucht!“, sagte ich zu Alex. Als sie auflegte schüttelte sie
den Kopf und informierte mich: „Da ist sie auch nicht!“ „Mensch, das gibt’s
doch nicht! Wir wollten uns vor über einer Stunde treffen! Ich versteh das
nicht. Wo kann die nur sein?“, wunderte ich mich. Alex zuckte die Schultern
und erwiderte: „Ich weiß es auch nicht, Ju! Hoffentlich ist ihr nichts
passiert!“ „Hey, mach mir keine Angst!“, fuhr ich auf, „Wenn sie sich bis um 2
Uhr nicht gemeldet hat oder aufgetaucht ist verständigen wir die Polizei.“
„Jetzt mach mal halblang. Peti ist 17, die kommt schon alleine klar!“,
versuchte Alex mich zu beruhigen. Sie versuchte die Situation ein bisschen
aufzulockern und scherzte: „Außerdem, Polizei, pffffffttt, da weiß ich was
besseres!!“ „Was denn?“, wollte ich wissen. „Na, überleg mal!“, forderte sie
mich auf. „Sorry, ich denk grad an Petra.“ „Och, Ju! Na, Ingo Lenßen
natürlich, du Dumpfbacke!“, witzelte Alex. Neben uns drehte sich ein Mann um
und fragte: „Kann ich euch helfen?“ Baff guckten wir in das Gesicht von Ingo
Lenßen. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich warf einen Blick auf das Display
und erkannte, dass es Petra war, die da anrief. „Hey, das ist Peti!“,
informierte ich Alex, bevor ich abnahm. „Das wurde aber auch Zeit, dass du
dich meldest!“, begrüßte ich sie. „Ju, hör zu! Ich bin entführt worden. Ihr
sollt meine Eltern anrufen. Die Erpresser wollen 1 Million € bis übermorgen,
sonst bringen die mich um! Und keine Polizei!“, sagte sie. Dann hörte ich ein
Klicken und das Gespräch wurde abgebrochen. Geschockt ließ ich das Handy
fallen. „Scheiße, Alex! Petra ist entführt worden!“, entfuhr es mir. „Dann
braucht ihr wirklich Hilfe!“, schaltete sich Ingo ein, „Ihr kommt jetzt erst
mal mit in meine Kanzlei und dort sehen wir weiter.“ Wir stellten uns ihm vor
und verließen auf direktem Wege das Oktoberfest. Im Auto meinte Alex zu mir:
„Das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal in meinem Leben die
Hilfe von Ingo Lenßen brauche und in seinem Auto hocke.“ Ingo, der das
mitbekommen hatte, lächelte uns durch den Rückspiegel an und erwiderte: „Das
ist doch selbstverständlich!“ Nach einer Viertelstunde kamen wir in der
Kanzlei an. Wir kannten diese ja bereits aus der Sendung, doch so aus nächster
Nähe betrachtet war sie noch schöner als sonst. Ingo bat uns in sein Büro, wo
wir uns auf die gemütliche Couch setzten. Er nahm auf einem der Stühle Platz
und forderte uns auf: „Dann erzählt mir mal schön der Reihe nach, was
überhaupt passiert ist!“ Wir schilderten ihm, wie wir nach München gekommen
waren und das Petra vorhin einfach nicht zum Treffpunkt gekommen war und ab da
kannte er die Geschichte. „Wartet mal!“, stoppte er uns, „Ihr habt erzählt,
dass ihr gestern 2 Jungs kennen gelernt habt. Vielleicht wissen die etwas, wo
eure Freundin sein könnte. Oder habt ihr irgendeinen konkreten Verdacht, wer
eure Freundin entführt haben könnte?“, wollte er von uns wissen. Wir
schüttelten die Köpfe und antworteten gleichzeitig: „Wen denn? Wir kennen doch
niemanden hier in München!“ Er telefonierte mit zwei von seinen Ermittlern.
Mit welchen konnten wir nicht herauskriegen, deshalb sahen wir uns ein
bisschen in der Kanzlei um. Nach ein paar Minuten legte er auf und verriet:
„Sandra und Christian, die ihr sicherlich kennt, werden gleich hier sein. Die
beiden übernehmen den Fall.“ Dieses Mal nickten wir und bestätigten: „Klar
kennen wir Schnitti und Chris!“ Mittlerweile war es halb eins und Alex und ich
gähnten. „Da ist aber jemand müde!“, lachte Ingo. Ich schreckte auf einmal
hoch. „Wir müssen Petras Eltern doch noch anrufen!“, drängte ich. „Langsam,
Ju!“, mahnte Alex. „Die legen Petra doch um, wenn sie die Million nicht
kriegen!“, erwiderte ich. „Wir holen eure Freundin da raus!“, versicherte
Ingo. Stürmisch flog die Tür des Büros auf und Christian und Sandra kamen
herein. Ingo informierte die beiden was vorgefallen war und Chris kuckte uns
schief von der Seite an und neckte uns: „Soso, ihr seid also die beiden
Chaosmäuse wegen denen ich meinen Schönheitsschlaf abbrechen musste!“ Na, den
brauchst du doch gar net!“, zogen wir ihn auf. „Oh, danke fürs Kompliment!“,
lächelte er. Danach fuhren uns die beiden ins Hotel zurück. Ingo hatte
beschlossen, dass wir morgen um 10 Uhr wieder in die Kanzlei kommen sollten.
Wir verabschiedeten uns und bedankten uns bei ihm, dass er uns half. „Das ist
es. Da kannste halten.“, wiesen wir Chris an. „Nobles Teil!“, stellte Chris
fest, als wir vor unserem Hotel standen, „Und das könnt ihr euch leisten?“
„Nö, wir bzw. Petra hat bei einem Gewinnspiel eine Woche Münchenurlaub
gewonnen und uns mitgenommen!“, erklärten wir Chris. „Was für ein Wettbewerb
denn?“, fragte Sandra interessiert. „Sat1 hat den besten Storyschreiber
gesucht!“, antworteten wir ihr. „Ach, dann seid ihr die drei, die wir
eigentlich morgen treffen sollten.“, fiel es Chris ein. „Ja, sind wir.“,
bestätigten wir. „Endstation! Bitte alles aussteigen!“, befahl Chris, „Wir
bringen euch noch hoch, weil wir gerne noch einen Blick in Petras Sachen
werfen würden und schauen wollen, ob uns irgendwas auffällt. Oben angekommen
kramte ich die Schlüssel aus meiner Tasche und schloss auf. Drinnen stieß
Chris einen Pfiff aus und meinte: „Ist ja echt edel hier!“ Sandra meinte:
„Dann zeigt uns mal die Sachen von eurer Freundin!“ Wir hievten den Koffer von
Peti aufs Bett und machten ihn auf. Sandra und Chris sahen sich im Zimmer um
und wühlten in Petras Sachen und wandten sich schließlich zum Gehen. „Tschüss!
Schlaft gut. Wir holen euch morgen um viertel vor zehn ab!“ Alex murmelte:
„Hoffentlich schlafen wir überhaupt. Aber danke, gute Nacht euch zwei. Bis
morgen!“ Mit gespielt ernstem Blick wollte Chris wissen: „Können wir euch
alleine lassen?“ Grinsend schlug ich zurück: „Sicher wäre ich mir nicht, aber
wir können es ja probieren.“ „Veranstaltet keine Dummheiten! Es reicht, wenn
einer von euch was passiert ist.“, mahnte uns Sandra, bevor die zwei zur Tür
hinaus verschwanden. Als sie weg waren verstauten wir den Koffer von unserer
Partymaus wieder im Schrank und ließen uns auf das Bett sinken. „Weißt du, was
mir einfach keine Ruhe lässt?“, fragte ich Alex. Die hatte sich auf ihrer
Betthälfte zusammengerollt und entgegnete: „Nee, weiß ich nicht. Aber du wirst
es mir bestimmt gleich sagen!“ „Ich frag mich, wer Petra entführt hat. Sie
kennt doch hier niemanden!“ „Wir werden es rausfinden, wer es ist! Aber jetzt
hau ich mich erst mal aufs Ohr! Ich bin nämlich hundemüde! Gute Nacht, Ju!“
Ich lief durchs Zimmer und schaltete das Licht aus. Ich war ebenfalls müde und
war zu faul mich umzuziehen. Ich schaffte es gerade noch mir die Schuhe
auszuziehen, bevor ich einschlief. „Alex, los komm, aufstehen! Chris und
Schnitti holen uns in einer halben Stunde ab.“ Alex murmelte irgendetwas
unverständliches und zog sich die Decke über den Kopf. „Hey, jetzt komm, steh
auf! Wir müssen noch frühstücken und anziehen müssen wir uns auch noch!“
Murrend stand Alex auf und begann wortlos sich anzuziehen. Danach griff sie
sich einen Schlüssel und ging aus dem Zimmer. Ich folgte ihr und fragte:
„Hallo? Erde an Alex! Kannst du mir mal sagen, was los ist?“ Als sie endlich
mal stehen blieb meinte sie: „Oh Ju, ich hab schlecht geschlafen und bin
äußerst morgenmuffelig!“ Mit den Worten ließ sie mich stehen und verschwand um
die nächste Ecke. Ich ging zurück ins Zimmer, wo ich erst mal im Badezimmer
verschwand. „Ja, ja! Ich komm ja schon!“, brüllte ich genervt, als es zum
dritten Mal an die Tür klopfte. „Ey man, du hattest doch nen Schlüssel
dabei!“, rief ich, als ich die Tür aufriss. „Oh, tschuldigung!“, meinte ich
kleinlaut, als ich bemerkte, dass Sandra statt Alex vor mir stand. „Alles ok
bei dir?“, erkundigte sie sich. „Ja! Komm rein.“, forderte ich sie auf, „Wo
hast du denn Chris gelassen?“ „Der leistet Alex unten Gesellschaft! Und ich
hab mir gedacht, ich schau mal bei dir vorbei!“, gab sie mir Auskunft. Sie
setzte sich auf einen der Ledersessel und sah mir dabei zu wie ich meine
Sachen, die wieder mal im ganzen Zimmer verteilt waren, zusammen suchte.
Plötzlich drehte sich der Schlüssel im Schloss und Alex, gefolgt von Chris,
kam herein. „Mann, Ju! Du bist so chaotisch! Kann du dein Zeugs nicht mal
aufräumen und da lassen wo es hingehört?“, rief sie. Ich war noch sauer von
vorhin, wo sie mich einfach auf dem Flur hatte stehen lassen, und als sie
jetzt noch hinzusetzte, dass das nun schon die ganze Zeit so ginge seit wir
hier waren, platzte mir der Kragen. „Weißt du was, Alex? Wenn dich das Chaos
stört, dann räum es doch selber weg!“, zickte ich und stampfte bockig aus dem
Zimmer. „Wo willst du denn hin? Wir müssen doch in die Kanzlei!“ rief Chris
hinter mir her. „Ich laufe!“, schrie ich zurück. Sandra lief mir nach und bat
: „Bleib doch mal stehen! Ey, jetzt warte!“ Sie erwischte mich am Arm und ich
blieb gezwungener Maßen stehen. „Was ist?“, wollte ich wissen. „Eigentlich
wollte ich das von dir wissen!“, erwiderte sie. „Ich brauch frische Luft und
will meine Ruhe haben!“, blockte ich ab und verließ das Hotel. Natürlich wurde
ich nicht in Ruhe gelassen. Als ich gerade an einer roten Ampel stehen blieb,
bemerkte ich, dass Christian mir die ganze Zeit gefolgt war. Ich drehte mich
um und fuhr ihn an: „Ich wollte meine Ruhe haben, verdammt noch mal! Warum
schleichst du hinter mir her?“ „Komm mal wieder runter!“, konterte er cool.
„Ich will mich ein bisschen mit dir unterhalten!“ „Ach ja? Und worüber wenn
ich fragen darf?“, fragte ich trotzig. „Och, ... über dies und jenes! Als
erstes würde ich gern wissen, was da zwischen dir und Alex los ist!“,
erwiderte er. „Oh mein Gott, was soll da los sein? Sie hat mich heute morgen
ignoriert und ich war sauer, das ist los!“, unterrichtete ich ihn. Schweigend
liefen wir nebeneinander her, bis ich plötzlich fragte: „Kann ich dich was
fragen, Chris?“ Er nickte und ich stellte ihm die Frage: „Was denkst du, wie
hoch stehen die Chancen, dass wir Peti finden?“ Daraufhin zuckte er die
Achseln und meinte: „Schwer zu sagen. Wir haben ja überhaupt keine Ahnung, wo
wir anfangen sollen zu suchen!“ „Aber ich hab ne Ahnung! Wir zeigen den Leuten
auf dem Oktoberfest Bilder von Peti und fragen sie, ob sie Petra gesehen
haben!“, sagte ich. Chris schnaubte verächtlich und lachte: „Na, dann fang mal
an. Da bist du in 3 Wochen noch beschäftigt.“ „Vielen Dank! Hast du vielleicht
ne bessere Idee?“ Chris schüttelte den Kopf und sprach: „Nee, die hab ich in
der Tat nicht!“ Mittlerweile waren wir an der Kanzlei angekommen und stiegen
die Treppe hoch. Der schwarze Alfa stand vor der Tür, was hieß, dass Sandra
und Alex schon da waren. „Hi, ihr zwei!“, begrüße uns Ingo, als wir sein Büro
betraten. Ich nahm Alex in den Arm und entschuldigte mich bei ihr. „Alles
wieder ok?“, erkundigten sich Sandra u. Chris. Alex und ich nickten und zu
fünft besprachen wir die weitere Vorgehensweise. Chris erzählte Ingo von
meinem Vorschlag die Leute auf dem Oktoberfest zu befragen und dieser
überlegte: „Die Idee an sich ist nicht schlecht!“ Schelmisch boxte ich Chris
an die Schulter und grinste: „Na, siehste! Ich bin doch nicht so dumm wie ich
vielleicht aussehe!“ Schnitti und Alex trällerten im Chor: „Dumm siehst du
aber ganz und gar nicht aus.“ Wir prusteten los und als wir uns wenig später
wieder einigermaßen beruhigt hatten, verteilte Ingo die Aufgaben an uns. Wir
sollten jeweils zu zweit übers Oktoberfest laufen und uns durchfragen, während
Ingo versuchen wollte Petras Eltern zu erreichen. „Geht mir aber bitte
systematisch vor. Fragt zuerst bei den ganzen Ständen und Fahrgeschäften nach
und an den Orten, wo Petra sich aufgehalten hat, bevor sie entführt wurde.“,
wies er uns an. „Schon klar, Chef!“, nahm Chris zur Kenntnis. Draußen im
Vorraum drückte uns Gabi, die wir vorhin kennen gelernt hatten, zwei
Walkie-Talkies in die Hände. Dann machten wir uns auf den Weg zur
Teresienwiese, wo das Oktoberfest stattfand. „Ok, dann mal los!“, meinte
Chris. „Alex, du gehst mit Sandra und Ju kommt mit mir. Wir treffen uns in 1 ½
Stunden wieder hier.“, bestimmte er. Wir sprachen noch ab, wer welche Stände
abklappern würde und dann ging’s los. Chris und ich hatten bereits unsere
Stände und Fahrgeschäfte, die wir befragen sollten, hinter uns, als mir
zwischen dem Hofbräuzelt und einem Süßwarenstand etwas auffiel. „Wart mal
kurz, Chris!“, hielt ich Christian auf und schlüpfte in den schmalen
Durchgang, der zwischen dem Zelt und dem Stand bestand. Dort auf dem Boden lag
tatsächlich der Rucksack von meinem Actiongirl. Als ich wieder auftauchte
streckte mir Chris einen kandierten Apfel entgegen und hatte das süßeste
Lächeln auf den Lippen, das ich je bei ihm gesehen hatte und meinte: „Für
dich! Was hast du’n da unterm Arm?“ Ich nahm ihm den Apfel aus der Hand,
bedankte mich und sagte zu ihm: „Das ist der Rucksack von Peti.“ Wir hatten
bis jetzt nicht viel herausbekommen. Eigentlich nur, dass ein älterer Herr an
einem Crêpes-Stand glaubte gesehen zu haben, dass Petra von einem Jungen
belästigt worden war. Da es uns sinnlos vorkam einzelne Leute nach Petra zu
fragen, setzten wir uns ins Bierzelt. Derweil kämpften sich Alex und Sandra
durchs Gewühl. „So, noch einen Stand, dann haben wir es geschafft!“,
verkündete Sandra. Die beiden hatten erfahren, dass sich Petra am Boxautostand
mit einem Jungen gestritten hatte. Allerdings konnte ihnen die Kassiererin
keine genaue Beschreibung geben. Das Wenige, an dass sie sich noch erinnerte,
könnte auf jeden zu treffen. „Nein. Tut mir sehr Leid, aber das Mädchen hab
ich noch nie gesehen!“, verneinte die Frau am Losestand. „Dankeschön!“, meinte
Alex, bevor sie enttäuscht zu Sandra zurückkehrte. „Lass uns ne Pause machen
und irgendwas trinken gehen.“, schlug Sandra vor. Dankbar nahm Alex den
Vorschlag an und so kam es, dass wir uns früher als vereinbart wiedersahen.
„Hey! Da sind ja Sandra und Alex!“, rief ich und winkte ihnen zu. Sie
entdeckten uns und kamen zu uns rüber. Wir tauschten unsere Infos aus und
beschlossen zu Ingo zurückzufahren. „Es sieht so aus, als wurde Petra von
einem Jungen belästigt. Das haben uns zwei Zeugen bestätigt.“, eröffneten wir
Ingo. Er hatte Petras Eltern erreicht und diese waren bereits auf dem Weg nach
München. „Die zahlen das Geld also?“, hakte ich nach. Ingo nickte bestätigend
und erwiderte: „Das Geld haben ihre Eltern schon besorgt und bringen es mit.
„Wir könnten doch noch Kai und Florian befragen!“, schlugen Alex und ich vor.
Chris wehrte lachend ab: „Hey, wer sind hier die Privatermittler? Sandra und
ich oder ihr?“ „Na, wir natürlich!“, grinsten wir und brachen in schallendes
Gelächter aus. „Nicht ganz!“, konterte Sandra, „Aber ihr könntet es werden!“
Derweil schrie Peti verzweifelt um Hilfe: „Hilfe! Ich will hier weg! Warum
macht ihr das?“ Sie war der sicheren Überzeugung, dass sich Kai & Florian in
der Nähe aufhielten. Und so war es auch. Peti wurde die ganze Zeit von den
beiden überwacht. „Stell sie ruhig!“, befahl Kai Florian und dieser setzte
Petra mit einem gezielten Fußtritt außer Gefecht. Dann rieb er sich zufrieden
die Hände und kehrte zu Kai in den Nebenraum zurück. „Gut gemacht!“, lobte Kai
und die beiden grinsten sich an. „Kai Martens und Florian Schütz, beide
mehrfach wegen räuberischer Erpressung angeklagt. Wurden allerdings immer
wieder freigesprochen wegen Mangel an Beweisen.“, las Ingo aus einer Akte vor.
„Ja, worauf warten wir dann noch? Auf, lasst uns die zwei auftreiben und
befragen!“, brausten Alex und ich auf. Wir waren aufgesprungen und ich hatte
die Türklinke schon in der Hand, als Ingo rief: „Stopp! Setzt euch bitte
wieder hin!“ „Aber warum? Das ist die letzte Spur, die wir noch haben. Der
müssen wir doch nachgehen!“, fuhr ich ihn unbeherrscht an, was mir sofort Leid
tat. Deshalb entschuldigte ich mich und setzte mich wieder hin, wie Ingo es
gesagt hatte. „Ich versteh ja, dass ihr euch Sorgen um eure Freundin macht,
aber ihr müsst trotz allem realistisch bleiben und dürft nichts Unüberlegtes
tun.“, beschwichtigte er uns, „Nur weil die beiden Jungs mehrfach angeklagt
waren heißt das noch lange nicht, dass sie etwas mit der Entführung zu tun
haben!“ „Das ist mir schon klar, aber deswegen können wir Kai u. Florian
trotzdem befragen.“, erwiderte ich. Sandra legte mir ihren Arm um die Schulter
und meinte: „Das machen wir auch noch!“ „Wir haben keine Zeit mehr. Morgen ist
die Übergabe!“, erinnerte ich Ingo u. die anderen. Alex wollte wissen: „Wann
werden denn Petras Eltern ankommen?“ „Grob geschätzt, morgen gegen 8 Uhr!“,
antwortete Ingo. „Und wie geht’s jetzt weiter?“, fragte ich. „Ich hatte
eigentlich vor euch Tekin und Katja vorzustellen, aber die beiden mussten
kurzfristig und sehr dringend einen Fall übernehmen, also müssen wir uns was
anderes einfallen lassen. Wie sieht’s aus, habt ihr Hunger?“, fragte Ingo uns.
Es folgte einstimmiges Nicken und eine Viertelstunde später saßen wir alle bei
Ingos Lieblingsitaliener. Danach fragte ich die anderen: „Habt ihr Lust noch
mit aufs Oktoberfest zu kommen? Ich hab noch jede Menge „Breakdancer“,
„Boxauto“- und „Himallayahchips“.“ Alle stimmten zu und kamen mit. An diesem
Abend geschah etwas, was ich nie gedacht hätte. Ingo Lenßen stieg tatsächlich
in den Himalayah. Fassungslos blieb ich stehen. Ich hätte ihm alles zugetraut,
nur das nicht. „Ju, wo bleibst du?“, rief Alex. „Halt mal!“, sagte ich und
drückte ihr meinen Rucksack in die Hand, „Davon will ich ein Foto haben! Das
glaubt mir sonst keiner!“ Gemeinsam stiegen wir danach auch in den „Himalayah“
ein und genossen den Abend. „Boah, war das cool!“, meinte Ingo, bevor er sich
von uns verabschiedete. Wir lachten und versprachen ihm, dass wir das vor
unserer Abreise auf jeden Fall wiederholen würden. Chris & Sandra wollten uns
zurück ins Hotel fahren, doch da es erst kurz vor 10 war, protestierten wir:
„Ey, wir sind keine Babys mehr!“ Nachdem Chris u. Sandra es eingesehen hatten,
dass es zwecklos war uns dazu zu bewegen ins Hotel zurückzukehren, gaben sie
auf und Chris stöhnte: „Na gut! Da ihr zwei anscheinend noch nicht genug
Action hattet heute Abend, stell ich euch mein absolut chaotisches Dickerchen
vor! Aber ich warne euch schon mal vor. Wenn er gut drauf ist könnte es sein,
dass ihr auf dem Flurteppich landet!“ Wir wussten jetzt schon, dass es sich
eigentlich nur um Tequilla handeln konnte, der schwarze Labrador von Chris.
„Macht nix! Sicherer Stand ist alles!“, grinste ich. „Da haste nu auch wieder
Recht!“, gab Chris zu. „Ist ja richtig gemütlich hier!“, stellte ich fest,
nachdem ich mich in der Wohnung von Chris umgesehen hatte. Alex lag neben
Tequilla auf dem Teppich und graulte ihm den Bauch. „Ja, was hast du den
erwartet?“, rief Chris aus der Küche, der damit beschäftigt war uns einen
Kaffee zu kochen. „Chaos pur!“, rief ich zurück, worauf mir Sandra, die auf
der Couch saß, ein Kissen an den Kopf warf. „Na, na, na! Im Vergleich zu dir
ist Chris eigentlich ein ordentlicher Mensch!“, meinte sie. „Ja, wat soll dat
denn heißen?“, beschwehrte sich Chris lautstark. „Das soll heißen, dass auch
du chaotisch sein kannst!“, lachte Schnitti. „Ach was! Ich und chaotisch, das
kann überhaupt nicht sein. Die einzigen die hier chaotisch sind, das seid ihr:
Du, Ju und Tequilla.“, wandte er sich an Sandra. „Stimmt ja gar net!“,
versuchte Sandra sich zu weheren, doch sie kam nicht weit, denn Chris kitzelte
sie und sie rutschte vom Sofa vor Lachen. Beide lagen sie nun lachend und nach
Luft schnappend am Boden, während Alex u. ich uns das Schauspiel vom Teppich
her kopfschüttelnd betrachteten. Tequilla bellte aufgeregt und Chris meckerte
ihn an: „Ja, Alter, jetzt ist es aber wieder gut, ok?“ Tequilla schaute Chris
aus seinen treuen Hundeaugen an und trollte sich beleidigt aus dem Wohnzimmer.
Chris kehrte wieder in die Küche zurück, aber nur, um sie kurz darauf mit 4
dampfenden Kaffeetassen zu verlassen. Als wir die Kaffees ausgetrunken hatten,
meinte Chris: „So, nun fahren wir euch aber ins Hotel und ich dulde keine
Wiederrede!“ Alex pfiff und rief: „Tequilla, komm her. Ich mag mich von dir
verabschieden.“ „Das kannst du knicken. Er ist beleidigt und wenn er das ist,
dann schaltet mein Dicker voll auf stur.“, informierte Chris Alex. „Kommt der
Prophet nicht zum Berg, kommt der Berg halt zum Propheten!“, murmelte Alex,
bevor sie sich auf die Suche nach dem Labrador machte. „Oh Chris, komm mal
rauf! Ich glaub, das wird dir gar nicht gefallen!“, brüllte Alex. Sie hielt
sich den Bauch vor Lachen und wäre um ein Haar umgekippt, wenn Chris sie nicht
noch im letzten Moment aufgefangen hätte. Als er sah was Alex gemeint hatte ,
knurrte er: „Tequilla, das gibt Ärger. Eine Woche Schlafzimmerverbot!“ Sandra
u. ich waren jetzt auch neugierig geworden und kamen die Treppe hoch. „Sie
einer an! Unser lieber Christian steht auf Bart Simpson & Die Peanuts!“,
bemerkte Sandra. Tequilla hatte Christians Schubladen aufgezogen und den
Inhalt deren im Schlafzimmer verteilt. Darunter befand sich unter anderem auch
die Unterwäsche von Chris mit Motiven von den Simpsons und den Peanuts. Zum
x-ten Male an diesem Abend holte ich meine Digi-Kamera hervor und hielt diese
verfängliche Situation für Chris fest. „Soso, Chris ist also nicht chaotisch!
Ich glaube, Tequilla hat uns gerade eben das Gegenteil bewiesen!“, grinste
Alex und knuddelte Tequilla. „Ja, dann mal viel Spaß beim Aufräumen!“, meinten
wir schadenfroh. „Nix da!!! Mithelfen!“, protestierte Chris. Nach langem Hin
und Her ließen wir uns dann doch breitschlagen ihm zu helfen. Tequilla lag
währenddessen faul auf dem Bett herum und sah uns gelangweilt zu, bis Chris
ihn rausschmiss mit den Worten: „Und dir hab ich Schlafzimmerverbot erteilt
und das gilt auch, Freundchen! Du hast unten nen gemütlichen Hundekorb
stehen!“ Und so wurde es dann doch wieder kurz nach 1 bis wir im Hotel waren.
„An deiner Stelle würde ich mal kräftig ausmisten!“, gab ich Chris den Rat,
bevor ich die Wagentür zuwarf und Alex durch die Glastür in die Eingangshalle
des Hotels folgte. „Der Abend war toll!“, seufzte ich, als ich mich aufs Bett
fallen ließ. „Ja, das war er wirklich!“, rief Alex aus dem Bad. „Schade, dass
Peti nicht dabei war!“, ließ ich vernehmen. „Wir wiederholen das noch mal,
aber mit Petra dann!“, meinte Alex. „Hoffentlich geht es Petra gut und es geht
morgen bei der Übergabe alles glatt über die Bühne!“, sagte ich zu Alex. Diese
erwiderte: „Positiv Denken! Es wird alles klappen und wir haben Peti morgen
wieder!“ Ich wollte gerade noch etwas hinzufügen, mein Handy klingelte jedoch.
„Hi Chris! Was gibt es?“ „Ähm, der Zeitplan hat sich verschoben! Petis Eltern
kommen um halb sieben an. Das heißt, wir holen euch so gegen viertel nach 6
ab! Schlaft gut und träumt was Süßes!“, legte er los, nachdem ich mich
gemeldet hatte. „Danke, du auch!“, konnte ich gerade noch sagen, bevor er
auflegte. „Was wollte er denn?“, fragte Alex. Ich erklärte es ihr und dann
legten wir uns hin und schliefen auch sofort ein. „Ja super! Klasse! Chris ist
nicht nur chaotisch sondern auch unpünktlich!“, motzte ich. Genau in dem
Moment hielt der schwarze Alfa vor uns und wir sprangen hinein. „Ihr seht
irgendwie durchweicht aus!“, frotzelten Chris und Sandra. Die zwei waren 15
min. zu spät gekommen und die hatten wir in strömendem Regen verbracht. „Auf
wessen Mist ist das Zuspätkommen gewachsen? Der bekommt Ärger!“, meinte ich.
„Armer Tequilla!“, kicherte Sandra. Was hat er denn jetzt schon wieder
angestellt?“, wollten wir wissen. „Dieses Mal hat das Bad von Chris gelitten.
Er hat es überflutet und die ganzen Shampoos und Duschgels von Chris ins
Wasser gekippt.“, spottete Sandra. „Wenn er so was noch mal macht, kann er ne
Woche lang im Garten in seiner Hundehütte pennen!“, knurrte Chris.
Mittlerweile waren wir an der Kanzlei angekommen und sprinteten die Treppen
hoch. „Sorry Chef, dass wir zu spät kommen, aber mein Dicker hat...!“, wollte
sich Chris entschuldigen, doch er wurde von Ingo unterbrochen: „Erklär mir das
später, Christian. Wir haben jetzt keine Zeit dafür!“ „Was ist denn los? Ist
was passiert?“ Ingo nickte und brachte uns auf den neuesten Stand der Dinge.
Er erzählte uns, dass Petras Eltern eben angerufen hatten. Sie hatten eine
Autopanne und befanden sich ca. 500 km vor München. „Sie schaffen das nicht so
schnell her. Das Auto muss in die Werkstatt und wir müssen das Geld irgendwo
anders herbekommen. Ich hab schon mit der Bank telefoniert. Die stellen uns
das Gelde zur Verfügung und haben einen Geldtransporter zu uns geschickt.“ „Oh
je! Schlimmer geht’s nimmer, oder?“, seufzten wir. „Des weiteren wird in den
nächsten paar Minuten ein Telefontechniker herkommen und eure Handys
verkabeln, da sich der oder die Erpresser bei einer von euch melden wird!“,
fügte Ingo noch hinzu. In diesem Moment klingelte das Telefon und Ingo hob ab.
Als er wieder auflegte raufte er sich die Haare und meinte: „Das darf nicht
wahr sein!“ „Was? Was darf nicht wahr sein?“, fragte Sandra ihren Chef. „Der
Geldtransporter ist überfallen worden und die Million ist weg! Verdammt noch
mal, heut geht wirklich alles schief was schief gehen kann.“ Wenigstens kam
der Telefontechniker heil bei uns an. Und pünktlich! Wäre er nur 10 min.
später eingetroffen, säßen wir noch tiefer in der Matsche als sowieso schon.
Kaum hatte er in unsere Handys eine Wanze eingebaut und sie verkabelt,
klingelte meins auch schon. Ich ging dran und eine verzerrte Stimme rief: „Ihr
verpackt das Geld in Plastiktüten. Jeweils 10 Bündel in eine. Dann packt ihr
die Tüten in eine Sporttasche und bringt diese um 19:45 Uhr zum Teepavillon in
den englischen Garten. Dort stellt ihr sie ab! Verhaltet euch unauffällig.
Wenn dies passiert ist setzt ihr euch auf die rote Parkbank bei der „Rosa
Linde“ und wartet dort bis um 20 Uhr. Danach verlasst ihr den Garten, ruft
euch ein Taxi, und kehrt zum Hotel zurück, wo wir euch Petra übergeben werden.
Ihr geht in euer Zimmer und wenn es klopft zählt ihr schön langsam von 100 auf
0 runter und öffnet dann die Tür. Aber ich warne euch! Keine Tricks und keine
Polizei, sonst ist Peti tot!“ Am anderen Ende der Leitung wurde gelacht und
aufgelegt. Ingo schaute den Techniker fragend an. Doch der schüttelte den Kopf
und entschuldigte sich: „Tut mir Leid, aber das Gespräch war zu kurz.“ Ingo
seufzte enttäuscht, drängte jedoch zum Aufbruch. „Wir haben jetzt noch exakt
10 Stunden und 45 Min. um das Geld zu besorgen und es zu verpacken. Wir werden
es nicht preparieren, da wir Petra dadurch zu groß gefährden würden.“ „Wart
mal kurz, Ingo.“, hielt ich ihn auf, „Teepavillon, das weiß ich wo das ist,
aber was meint er mit „Rosa Linde“?“ „Das ist ein großer Kinderspielplatz, der
neben einer Gruppe Linden steht. Aber auf jetzt, lasst uns zu den Banken
fahren und weiter um das Lösegeld betteln.“, meinte er. Wir bekamen das Geld
mit Mühe und Not zusammen und waren gerade damit beschäftigt, es in
Plastiktüten zu verpacken, als Gabi mit einer schlechten Nachricht hereinkam.
„Die Polizei hat am Rande der Stadt ein totes Mädchen gefunden, dessen
Beschreibung auf Petra passt. Ihr sollt in die Pathologie fahren und Petra,
falls sie es ist, identifizieren.“ „Oh mein Gott, ich glaub das nicht! Bitte
sagt mir, dass das alles nur ein fieser Alptraum ist.“, murmelte Alex. Ich
umarmte sie und sprach ihr zu: „Wie hast du gestern Abend doch gleich gesagt?
Positiv Denken! Dann mach das jetzt mal.“ Chris half mir Alex wieder
aufzubauen und Ingo beschloss: „Ich ruf Tekin und Katja an. Die sollen
herkommen und uns helfen. Das wächst uns alles über den Kopf.“ Eine
Viertelstunde später saßen wir mit Sandra & Katja im Auto in Richtung
Leichenhalle, während Ingo, Chris u. Tekin die Bündel Geldscheine weiter in
Plastiktüten stopften. Ingo hatte uns Tekin &Katja vorgestellt und danach
waren wir aufgebrochen. „Ihr seid reichlich blass um die Nase!“, stellte Katja
fest, die uns durch den Rückspiegel beobachtete. Nachdem die Fahrt ziemlich
schweigend verlaufen war, gestaltete sich nun auch das Betreten der Halle
äußerst frostig. Mich überkam nun ein eisiger Schauer und ich hakte mich bei
Alex unter. Die wiederum suchte bei Sandra Halt und Sandra nahm Katja an die
Hand. Wir wurden vom Pathologen begrüßt und betaten den Raum, wo die Leichen
aufbewahrt wurden. „Sind Sie bereit?“, fragte der Pathologe. Wir nickten
schwach und der Gerichtsmediziner zog das Tuch weg. Kalte und ausdruckslose
Augen starrten mich an. „Oh mein Gott!“, flüsterte ich. Katja nahm mich in den
Arm und fragte: „Ist das eure Freundin?“ Erleichtert, aber auch erschüttert
über den Tod des fremden Mädchens, schüttelte ich den Kopf und antwortete:
„Nein, das ist nicht Petra!“ Sandra hatte Alex und Katja mich im Arm. So
verließen wir die Halle wieder. „Hey, du zitterst ja!“, bemerkte Katja, „Ist
dir kalt?“ Ich schüttelte den Kopf und vergrub mich in ihren Armen. Auf der
Rückfahrt saß Katja zwischen mir und Alex und hatte uns beide im Arm. Sandra
hatte Ingo angerufen und ihm alles berichtet. „Hi Käse!“, begrüßte Chris Alex,
die ihn dafür mit einem eisigen Blick bestrafte. Wir waren beide käseweiß und
unsere Knie schlotterten immer noch, doch so langsam wurde es besser. Die drei
waren fertig mit Geld verpacken und nun saßen wir schweigend da. Tekin und
Christian auf der Couch, Ingo auf seinem Schreibtischstuhl, Schnitti u. Katja
auf den Stühlen und Alex und ich auf dem Teppich. „Fehlt nur noch Gabi und wir
könnten Skat spielen!“, versuchte Tekin die Situation ein bisschen
aufzulockern, was ihm allerdings misslang. Schweigend saßen wir eine ganze
Weile da, jeder hing seinen Gedanken nach, bis es an die Tür klopfte und Gabi
mit einem voll beladenen Tablett hereinkam. „Gabi, du bist ein Schatz!“,
bedankten wir uns. Es gab Kaffee und Gebäck. Als wir etwas gegessen hatten
bekamen Alex und ich wieder etwas Farbe ins Gesicht. „Und ich dachte schon es
gibt Käse zum Abendessen!“, neckte uns Christian. Grinsend stürzten wir uns
auf ihn und kitzelten ihn durch. Er wehrte sich und Tekin kam ihm zu Hilfe.
Bald darauf lagen wir zu 6 auf dem Teppich und rauften. „Ingo, Hilfe! Hilf uns
bitte! 4:2 ist unfair!“, flehten die Jungs, doch Ingo lächelte sie nur an.
Chris &Tekin lagen schnaufend wie die Walrösser auf dem Teppich und lachten.
„Ja was? Seid ihr schon alle?“, scherzten wir. Die beiden nickten heftig und
hockten sich auf die Couch. „Lasst uns ne Pizza oder nen Döner essen gehen.
Ich hab tierischen Kohldampf!“, schlug Tekin vor. Nachdem wir alle gesättigt
waren meinte Ingo: „Ich glaub es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg zum SEK
machen, damit die euch noch ausstatten können.“ „Ich bin so aufgeregt!“,
gestand ich. „Ich auch!“, gab Alex zu. „Kann ich mir vorstellen!“, meinte
Ingo. Wir trafen uns mit dem SEK im KK9, wo wir ein Earpiece, Pfefferspray und
die ganzen anderen nötigen Sachen bekamen. Zuletzt wurden wir in kugelsichere
Westen gesteckt und fuhren dann zum Übergabeort. Dort bekamen wir letzte
Anweisungen. „Das Taxi steuert nachher einer unserer Einsatzmänner. Ihr tut
einfach so, als würdet ihr telefonieren und er wird euch rechtzeitig abholen.
Ihr verhaltet euch trotzdem, als wäre er ein ganz normaler Taxifahrer. Na
denn, viel Glück!“, mit diesen Worten schickte uns der Einsatzleiter los. Wir
taten wie uns geheißen. Wir liefen zum Teepavillon und platzierten dort die
Sporttasche. Uns hatte keiner gesehen. Leise und unauffällig wie Diebe in der
Nacht schlichen wir zur roten Parkbank bei der „Rosa Linde“ und setzten uns
hin. Schweigen warteten wir ab bis es 20 Uhr war und machten uns dann auf den
Weg zum Ausgang des Gartens. Unterwegs tat ich so, als würde ich uns ein Taxi
rufen und betete im Stillen, dass der Einsatzmann vom SEK seinen Einsatz nicht
verpennte. Doch als wir den Park verließen stand das Taxi tatsächlich da. Wir
ließen uns ins Hotel kutschieren. Wir wussten natürlich, dass das SEK und Ingo
und seine Partner uns verfolgten. Dennoch warfen wir suchende Blicke aus den
Autofenstern. Vor dem Hotel stiegen wir aus und suchten unser Zimmer auf. Nach
5 Minuten klopfte es. Wir hatten uns zwar eigentlich vorgenommen die letzte
Anweisung des Erpressers nicht zu befolgen, nämlich von 100 auf 0 zählen, wir
taten es jedoch, da wir Peti nicht gefährden wollten.
„10,9,8,7,6,5,4,3,2,1,0!“, zählte Alex und riss die Tür auf. Wir blickten uns
auf dem Hotelflur um und entdeckten einen blauen Briefumschlag zu unseren
Füßen. Schnell rissen wir ihn auf und zogen einen, mit Zeitungsbuchstaben
beklebten Zettel hervor, auf dem stand. „Verarschen können wir uns alleine!“
So schnell wir konnten rannten wir nach unten in die Halle, wo das SEK einen
zappelnden Jungen festhielten. Als dieser sich umdrehte erschraken Alex und
ich. Es handelte sich um Florian Schütz. „Du feige Sau!“, schrie Alex und
knallte ihm eine. Ingo hatte alle Mühe Alex zurückzuhalten. „Wo ist sie? Wo
habt ihr Petra versteckt?“, brüllte ich und ging auf ihn los. Tekin und Katja
hielten mich zurück und ich kümmerte mich um Alex, die weinend am Boden lag.
„Hey, es wird alles gut, verlass dich drauf!“, versicherte ich ihr. „Wie kann
ich mich da drauf verlassen, nachdem was gerade eben passiert ist?“, heulte
sie. „Denk an Petra und glaub dran!“, ermunterte ich sie. Sie kuschelte sich
an mich und ich nahm sie in den Arm. In dem Moment gesellte sich Ingo zu uns
und eröffnete uns: „Florian hat gestanden. Wir wissen jetzt, wo Petra ist.“
Zusammen mit dem SEK fuhren wir an den Rand der Stadt zu einer stillgelegten
Fabrik. Florian dirigierte uns zum Kellereingang während das SEK das Gebäude
umstellte. Vorsichtig lugten wir in die Fabrikhalle hinein. Der Anblick, der
sich uns bot war schrecklich. Peti lag blutüberströmt auf dem Boden. Kai
tigerte vor ihr auf und ab. Plötzlich packte er Petra an den Haaren und zog
sie hoch, wobei diese aufschrie. „Halt die Klappe, du dumme Ziege!“, schrie
Kai sie an, „Ich nehme die Sache jetzt selbst in die Hand. Bisher hat Floh das
alles für mich erledigt. Deine Tollen Freundinnen haben Scheiße gebaut und
jetzt müssen sie die Konsequenz tragen“ Er simulierte eine durchgeschnittene
Kehle. Auf einmal stürmte ein Einsatzmann in die Halle und richtete seine
Pistole auf Kai Martens. Dieser zog einen Revolver aus seiner Manteltasche und
richtete diesen auf Petra. „Wag dich nur einen Schritt näher und sie ist
tot!“, drohte er. Mittlerweile befanden sich 5 SEK-Einsatzleute in der Halle
und umzingelten Kai. Chris schlich sich lautlos wie ein Indianer zu Petra und
schleppte sie behutsam aus dem Schussfeld von Kai, dessen Aufmerksamkeit nun
den SEK- Leuten galt. „Zugriff!“, brüllte der Einsatzleiter, da nun keine
Gefahr mehr bestand. Petra lehnte sich an die Schulter von Chris und begann zu
weinen. Wir nahmen sie alle reihum in den Arm und fuhren anschließend ins
Hotel, wo wir Peti erst einmal ins Bett packten. Danach trafen wir uns mit
unseren vier tapferen Helfern und bedankten uns noch einmal ordentlich. Danach
gingen auch wir schlafen. Als wir am nächsten Morgen die Augen aufschlugen,
lag unser verrücktes Huhn im Bett und Lächelte: „Ich hab geträumt, dass ich
entführt worden bin und Chris hat mich gerettet.“ „Süße, das hast du nicht
geträumt, das ist wirklich passiert.“, korrigierten wir sie. Petra war ganz
aus dem Häuschen, als sie wenig später Ingo, Chris, Sandra, Tekin, Katja und
Gabi kennen lernen durfte. Wir setzten uns alle in Ingos Büro und sprachen
über die Ereignisse der vergangenen Tage. Wir erzählten Peti gerade, was
Tequilla mit dem Bad von Chris geschafft hatte, als die Tür aufging und Petis
Eltern das Büro des Münchener Rechtsanwaltes betraten. Überglücklich schlossen
sie ihre Tochter in die Arme. So streng wie Peti sie im Chat und in ihren
Storys beschrieben hatte fand ich sie eigentlich gar nicht. Wir lernten sie in
den nächsten 9 Tagen näher kennen, denn sie spendierten uns dreien kurzer Hand
noch eine Woche München. Gemeinsam verbrachten wir diese und Ingo Lenßen und
seine Partner zeigten uns ganz München. Als die Abreise unweigerlich
bevorstand, waren wir drei unheimlich traurig. Zum einen hätten wir uns gerne
noch näher kennen gelernt und zum anderen fiel es uns so schwer uns von
unseren 6 Helfern zu trennen. Erst nachdem sie uns versprochen hatten, dass
wir telefonieren würden und sie uns besuchen kämen, packten wir unsere Koffer
und stiegen in den Zug und Petra ins Auto zu ihren Eltern. Alex reiste nur
einen Teil des Weges mit mir und als ich nun alleine im Zug in Richtung Heimat
saß, liefen mir die Tränen übers Gesicht. Aber es waren Freudentränen. Ich
dachte die ganze Zeit an meine Chatmäuse und unsere neu gewonnenen Freunde.
Schade, dass diese Woche so schnell vergehen musste, aber sie war
unvergesslich für mich gewesen.
Urteil:
Kai Martens und Florian Schütz wurden wegen
räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von jeweils 9
Jahren und 2 Monaten verurteilt.
Petra hat die dramatischen Erlebnisse
inzwischen gut überwunden und steht seither in regem Kontakt mit Ingo Lenßen
und seinem Team.
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